All unsere Wünsche und Wunder

All unsere Wünsche und Wunder

Noch eine Woche bis Weihnachten; der quirlige Lockenkopf Millie ist glücklich – sie erwartet ein Kind. Alles scheint perfekt, sie träumt von einer Familie mit ihrem Baby und ihrem Freund David, einem erfolgreichen Anwalt. Doch David, der heimlich seine Kollegin Karina liebt, hat andere Pläne. Als sich für ihn abzeichnet, dass er seine Angebetete endlich haben kann, beendet er prompt seine Beziehung zu Millie, die nicht weiß, wie ihr geschieht. Niedergeschlagen und mutlos lässt sie sich auf einen Deal ein. Sie beschließt die Feiertage bei Davids Mutter Magdalene zu verbringen, die einen Obsthof im Alten Land besitzt. Enttäuscht und traurig lässt sie sich auf eine Reise ein, die ihr mehr bringen wird, als sie zu diesem Zeitpunkt ahnt. Auf dem Rosenhof lebt nicht nur Magdalene; Millie trifft auch auf Davids Bruder Aron, der mit seiner kleinen Tochter Emmi ein zurückge-zogenes Leben lebt. Millie gerät in die Strudel der Familie und erlebt, was Verzicht – aber auch wahres Glück bedeutet, was Weihnachten bedeutet. Doch als David erfährt, dass er Vater wird, fasst er einen Entschluss, und Millie gerät zwischen die Mühlen der zerstrittenen Brüder.

Liebesroman
276 Seiten / Paperback
ISBN: 9783752821161
Verlag: Books on Demand
Sprache: Deutsch
Taschenbuch: 12,-  €
eBook: 4,99 €

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Leseproben

Der Wind raschelte wild durch die wenigen, verbliebenen Blätter in den Kronen der riesigen Bäume, die sich rechts und links hinter den Gebäuden erstreckten. Die Spitzen der Tannen tänzelten hin und her, eine davon war mit einer Lichterkette versehen. Ich zog die Jacke enger um mich und setzte gerade den Fuß vor, als ein Pfiff ertönte. Schritte näherten sich, gleich darauf hörte ich das Hecheln eines herannahenden Hundes. Ich zuckte leicht zusammen, als ein schwarz-weiß gescheckter Hund mit vorwitzigem Gesicht und flatternden Ohren hinter dem Wirtschaftsgebäude hervorgeschossen kam und schwanzwedelnd auf mich zustürmte. Ein wenig beunruhigt trat ich einen Schritt zurück; ich hatte keinerlei Erfahrung mit Hunden. Zwar mochte ich sie, aber ich wusste nie, ob sie auch mich mochten.
Als der Hund im Begriff war seine Nase in meinen Schritt zu stecken, ertönte erneut ein Pfiff, dieses Mal lauter und energischer, gleich gefolgt von: „Joda! Hierhin!“
Der Hund ließ sofort von mir ab und lief zu seinem Herrchen zurück. Ich erstarrte. Der Mann, der da mit entschlossenen Schritten auf mich zukam, sah aus wie David. Mir klappte der Mund auf.
Ich schrumpfte sicher um einen halben Meter, als der Mann sich vor mir aufbaute und mich mit diesem attraktiven aber misstrauischen Blick abschätzte. Das musste Aron sein, Davids jüngerer Bruder.
Im Vergleich zu dem elegantem Haarschnitt, den ich David immer verpasst hatte, war Arons Haar eindeutig zu lang, wenn auch genauso blond. Seiner wetterfesten Kleidung nach, kam er gerade von einer Wanderung; möglicherweise auch von einer Entenjagd, es fehlte lediglich das Gewehr um die Schulter. Die Stiefel solide, der Pullover grob und die Jacke gegen den eisigen Wind gewachst, der uns um die Ohren pfiff. Ich erschauderte vor Kälte.
„Sie müssen Milena sein“, sagte er mit tiefer Stimme und reichte mir die Hand. „Meine Mutter erwartet Sie bereits.“
„Jah … das stimmt, nennen Sie mich Millie, Milena sagt niemand zu mir“, entgegnete ich fahrig.
Seine Hand fühlte sich warm und kräftig an.
„Ich bin Aron.“
„Wohnen Sie hier?“, fragte ich.
Er schmunzelte, als hätte ich ihn angebaggert.
„Ja“, sagte er und wies mit der Hand auf das große Fachwerkhaus, um sich in Bewegung zu setzen. „Kommen Sie.“

Ich kaufte uns heißen alkoholfreien Orangenpunsch und wischte meiner Tochter mit einem Taschentuch den Mund ab, als sie sich bekleckerte. Durch die fehlenden Zähne kam schon mal das eine oder andere Getränk wieder raus, manchmal auch eine kleine Wurst zerkauter Kartoffeln. Dann kicherte sie ausgelassen und hielt mir die Schnute hin, um sie ihr abzuputzen. Mir war klar, dass Millie uns beobachtete, dass sie mich beobachtete. Ich sah aus wie mein Bruder, auch wenn er zwei Jahre älter war als ich. Unsere Ähnlichkeit musste auf sie verwirrend wirken, und ich ertappte mich dann und wann dabei, mich zu fragen, ob auch ich ihr Typ war; denn sie gefiel mir - sehr. Ich konnte noch nicht einmal benennen, woran es lag; sie war niedlich, keine Frage, aber sie hatte auch etwas Zartes und Liebes an sich. Sie löste in mir einen unkontrollierbaren Beschützerinstinkt aus, gleichwohl ich vermutete, dass sie auch eine starke Seite haben musste. Gefiel ich ihr? David und ich hatten äußerliche Ähnlichkeiten, waren aber ansonsten so unterschiedlich, dass man an unserer Verwandtschaft zweifeln müsste, wenn wir uns nicht derart ähneln würden.

Als wir schließlich nach Hause fuhren, verstand ich, dass ich mich nun mitten in den Weihnachtsvorbereitungen der Familie befand, sie hatten mich ohne zu zögern eingebunden, in einem fließend weichen Übergang vom geschäftigen Alltag, in die stille, besinnliche Einstimmung auf die Festtage. Magdalene unterhielt sich mit Aron über das Essen, das für die drei Weihnachtstage geplant war, bat ihn, den Baumschmuck vom Speicher des alten Hauses zu holen und genug Brennholz neben dem Kamin im Wohnzimmer zu stapeln, um in den kommenden drei Tagen möglichst wenig tun zu müssen.
Gespannt lauschend spürte ich meinen sich vor Erwartung krümmenden Magen. So lief das also in einer liebevollen Familie ab. Nicht wie bei meinen Eltern, wo Weihnachten eine lästige Pflicht war und meine Mutter einem zum Bersten gespannten Pulverfass glich, um den ich als Kind herum eierte, um sie nicht noch weiter zu reizen.

„Papaa“, flüsterte es. Ich kämpfte mich aus dem Tiefschlaf zum Bewusstsein vor. „Papaaa.“
Sie flüsterte, doch ich würde sie selbst dann hören, wenn ich taub wäre. Mein kleines Kätzchen war ein Teil von mir, ich spürte ihre Nähe, ohne sie zu berühren oder zu hören. Als ich die Augen öffnete, grinste mich mein Mädchen mit den Zahnlücken breit an, ich roch die frischen Hörnchen im Backofen, hörte die leisen Geräusche der Kaffeemaschine, die in der Küche bereits lief. Der Kaffee duftete göttlich.
„Du bist ein gutes Kind“, seufzte ich und setzte mich träge auf, rieb mir verschlafen durch das Gesicht und drückte Emmi schließlich an mich. Sie kuschelte sich unter die Bettdecke und kicherte. Ich grinste. Sie war unglaublich süß.
„Freust du dich?“, fragte ich.
„Hmm, sehr. Das wird das schönste Weihnachtsfest, das wir je hatten.“

Was zur Hölle ging da vor sich? Ich stand dort am Küchenfenster und sah hinaus, war erschüttert über die Szene, die mir da geboten wurde, wunderte mich, weshalb das kleine Mädchen derart geschrien hatte. Und Millie? Sie war bleich wie eine Tote, zitterte sichtlich, nachdem Mama sie wieder ins Haus gebracht hatte. Ich verstand gar nichts mehr. Es waren doch nur ein paar Tage vergangen, was um Himmels willen war in der Zwischenzeit alles passiert?